Wochenbericht 47/2024

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Mehr Visibilität

Die Nebelschwaden verschwinden und die Visibilität in wirtschafts- und geldpolitischer Hinsicht nimmt zu. Mit dem klaren Mandat in der Hand will der gewählte US-Präsident Donald Trump für Wachstum innerhalb der USA sorgen und dabei auch auf das Instrument der Importzölle greifen. Das mag leicht inflationär wirken, doch anderseits plant er gleichzeitig eine Reihe von Erleichterungen und Deregulierungen. Letztere sorgen typischerweise für mehr Wettbewerb und damit auch für tiefere Preise.

Der Vorsitzende der US Federal Reserve erwartet trotz Schwächesignalen auf dem Arbeitsmarkt weiterhin ein bemerkenswertes Wachstum. Die Anleihensmärkte erwarten deshalb bereits einen verlangsamten Senkungszyklus für die US-Leitzinsen. Jedenfalls erhöhte sich die Renditedifferenz zwischen US-Staatsanleihen (4.5%) und deutschen Staatsanleihen (2.4%) auf über 200 Basispunkte: ein Nachteil für die US-Wirtschaft. Tendenziell stärkt die günstige Kapitalbeschaffung europäische Unternehmen und private Haushalte, d. h. die kontinentaleuropäische Bauindustrie dürfte wie der private Hausbau wieder zulegen.

Klar ist, dass in Europa die Leitzinsen innert Jahresfrist deutlich tiefer als gegenwärtig liegen werden. Die Schätzungen reichen von 0.75% bis 1.75% für die Eurozone und 0.0% bis 0.5% für die Schweiz. Die Inflation ist bekämpft, aber sie könnte durch einen Wirtschaftsboom beim Wiederaufbau der Ukraine deutlich zunehmen. Die Eurozone befindet sich gegenwärtig in einem zarten Aufschwung. Die europäischen Wachstumsaussichten gehen Richtung 1.5% Realwachstum, wobei der Süden (z. B. wächst Spanien derzeit stärker als die USA), Irland sowie Ostmitteleuropa überdurchschnittlich zulegen dürften.

Die Erwartungen mit der Amtseinführung des US-Präsidenten sorgen diesseits des Atlantiks für einen Weckruf. Die Verteidigungsfähigkeit ist zweifellos zu stärken. Der Binnenmarkt ist zu vollenden und regulatorisch sollte wiederum Wachstum im Vordergrund stehen. Die Wettbewerbsfähigkeit muss schlicht und einfach verbessert werden. Das beginnt im Schulzimmer und umfasst die gesamte Bildungs- und Forschungspolitik. Dabei muss auch an den digitalen Fähigkeiten, an der Lernfreude und der Anpassungsfähigkeit gearbeitet werden. Ein Grossteil der Berufe, die wir heute erlernen, wird in den kommenden zwanzig Jahren immense Veränderungen erfahren. Deshalb gilt es, den Lerntrieb und die Innovationsfreude von jungen Menschen möglichst lange aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln.

Zentral ist sodann die Etablierung europäischer Märkte, in der Produktion genauso wie im Vertrieb und in der Finanzierung. Der Bankenmarkt ist ein gutes Beispiel, wie nationalistisch in Europa gedacht wird. Wenn eine italienische Bank eine deutsche Bank übernehmen will, sollte solches Gebaren unterstützt werden. Wir sind in Europa derart verzettelt, dass die fünf leistungsfähigsten Banken weltweit alle ihren Hauptsitz in den USA haben. Die europäische Wirtschaft tut allerdings gut daran, sich agile und flexible Finanzierungsquellen auf dem eigenen Kontinent zu erschliessen.

Thema der Woche: Europas Börsenplätze sind arg fragmentiert

Zweifellos ist der Optimismus in den USA grundsätzlich ausgeprägter als beispielsweise in Deutschland. Zudem ist die Liquidität an den Märkten besser. In den USA konzentriert sich vieles auf den Kapitalmarkt in Manhattan, New York. Dagegen ist der europäische Kapitalmarkt arg fragmentiert. Der Börsenplatz London ist zwar von globaler Bedeutung, doch zahlreiche nordeuropäische Unternehmen bevorzugen dennoch eher einen Börsengang oder eine Anleihensemission in ihrer Heimat (Kopenhagen, Oslo, Stockholm).

Innerhalb der Eurozone ist die Konkurrenz zwischen Frankfurt und Paris beinahe schon legendär. Doch da gibt es dann noch Madrid, Mailand sowie Zürich und etwa ein weiteres Dutzend nicht gänzlich unbedeutender Marktplätze für Aktien und Anleihen in Europa. Damit verzettelt sich jedoch die Liquidität – und ebenso die Aufmerksamkeit der Analysten. Dieser Sachverhalt bringt immer mehr Unternehmen dazu, einen Börsengang in den USA ins Auge zu fassen.

Das einstmals wertvollste deutsche Unternehmen, Linde, verabschiedete sich vom deutschen DAX und ist heute in New York kotiert – zu einem wesentlich höheren Kurs. Ähnliches hat sich auch die deutsche SAP überlegt, der grösste IT-Konzern Europas, der in New York wohl mehr Wertschätzung erfahren würde als in Frankfurt. Es ist keine Zeit, in Kontinentaleuropa selbstzufrieden zu sein. Als einziges Finanzzentrum zählt Frankfurt zu den Top 10 der globalen Finanzplätze, Zürich längst nicht mehr.

Nicht selten sind die USA für börsennotierte Unternehmen oder Unternehmen, die neu an die Börse gehen, deutlich attraktiver. Ein prominentes Beispiel ist Biontech. Wir wissen alle um die entscheidende Rolle, die das Mainzer Unternehmen in der Corona-Pandemie spielte. Sein Kapital hat es sich zu grossen Teilen mit dem Börsengang in den USA beschafft.

Zukunftstechnologien und neuartige Geschäftsmodelle erfordern häufig Risikokapital. Zahlreiche Unternehmen sind auf eine langfristige und stabile Finanzierung angewiesen. Ein stabiler, leistungsfähiger Kapitalmarkt ist eine Voraussetzung dafür, dass Wachstumschancen ergriffen und Inventionen in Produkte umgewandelt werden können. Das müssen wir alles im Auge behalten, wenn wir in Europa die Wachstumsmotoren stärken wollen.

Die wichtigsten Termine in der neuen Woche

19. November 2024 Eurozone: HICP Kerninflation und Inflation Oktober
20. November 2024 Vereinigtes Königreich: CPI Kerninflation und Inflation Oktober
21. November 2024 Japan: CPI Kerninflation und Inflation Oktober
22. November 2024 Eurozone, GB, USA: Einkaufsmanagerindizes November

Veranstaltungen

Zugerberg Finanz Marktupdate – Dezember 2024

Wie weit und wie rasch werden im Jahr 2025 geldpolitische Lockerungen in den USA, in der Eurozone und in der Schweiz vorgenommen? Wie hoch sind die marktimpliziten Erwartungen?

Datum: Di., 17. Dezember 2024
Zeit: 08.00 Uhr (25 Minuten mit Q&A)
Sprache: Deutsch
Medium: Online-Event via Zoom

Zur Anmeldung


Zugerberg Finanz Wirtschafts- und Börsenausblick – Januar 2025

Am Dienstag, 14. Januar 2025 und Dienstag, 21. Januar 2025 findet im Theater Casino in Zug sowie im KKL in Luzern die 34. Ausgabe des Zugerberg Finanz Wirtschafts- und Börsenausblicks statt. Das Programm und die Möglichkeit zur Anmeldung werden zu einem späteren Zeitpunkt über unsere Webseite abrufbar sein.


Zugerberg Finanz Wirtschaftsworkshops für Jugendliche – März 2025

Jugendliche begeistern und motivieren! Am Samstag, 1. März 2025 sowie Samstag, 8. März 2025 veranstalten wir unter den Titeln «Faszination Wirtschaft» und «Faszination Börse & Kapitalmärkte» zwei Tagesworkshops für Jugendliche. Die Tagesworkshops, die einzeln besucht werden können, richten sich an Jugendliche im Alter zwischen 13 und 17 Jahren.

Zur Anmeldung

Marktdaten

Aktienmärkte Seit 31.12.23
SMI 11'627.0 +4.4%
SPI 15'488.1 +6.3%
DAX € 19'210.8 +14.7%
Euro Stoxx 50 € 4'794.9 +6.0%
S&P 500 $ 5'870.6 +23.1%
Dow Jones $ 43'445.0 +15.3%
Nasdaq $ 18'680.1 +24.4%
MSCI EM $ 1'085.0 +6.0%
MSCI World $ 3'710.5 +17.1%
Obligationenmärkte Seit 31.12.23
SBI Dom Gov TR 221.8 +3.2%
SBI Dom Non-Gov TR 119.6 +4.0%
Immobilienmärkte Seit 31.12.23
SXI RE Funds 515.4 +11.5%
SXI RE Shares 3'497.5 +9.0%
Rohstoffe Seit 31.12.23
Öl (WTI; $/Bbl.) 67.0 –6.5%
Gold (CHF/kg) 73'145.6 +31.1%
Wechselkurse Seit 31.12.23
EUR/CHF 0.9361 +0.8%
USD/CHF 0.8876 +5.5%
EUR/USD 1.0540 –4.5%
Kurzfristige Zinsen
3M Prog. 3M Prog. 12M
CHF 0.96% 1.0%–1.2% 1.0%–1.2%
EUR 3.00% 3.2%–3.4% 2.7%–2.9%
USD 4.49% 5.0%–5.1% 3.8%–4.2%
Langfristige Zinsen
10-Jahre Prog. 3M Prog. 12M
CHF 0.41% 0.5%–0.7% 0.6%–0.9%
EUR 2.34% 2.2%–2.5% 2.1%–2.3%
USD 4.44% 4.0%–4.3% 3.3%–3.6%
Teuerung
2023 2024P 2025P
Schweiz 1.5% 1.3% 1.0%
Euroland 2.6% 2.2% 2.1%
USA 3.0% 2.0% 2.2%
Wirtschaft (BIP real)
2023 2024P 2025P
Schweiz 1.3% 1.3% 1.0%
Euroland 1.2% 1.5% 2.0%
USA 2.6% 2.3% 1.7%
Global 2.9% 3.2% 3.2%
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